Gibt es das perfekte Erziehungsrezept?

Schon bei der Geburt wird uns erklärt, wie wichtig Bonding für die spätere Eltern-Kind-Beziehung ist. Und das ist erst der Anfang auf unserer Suche nach neuen Wegen, um die optimale Bindungsbasis mit unserem Kind zu finden. Dabei sollten wir aber nicht vergessen, dass unsere Kinder immer wieder verschiedene Entwicklungsphasen durchlaufen, z.B. die Trotzphase, die 6-Jahres-Krise oder die Pubertät, um nur einige zu nennen. In meiner Praxis höre ich oft:

Wie soll ich mit diesem Verhalten umgehen?

Wie können wir dieses Problem lösen?

Diese Frage lässt sich nicht global beantworten, denn jedes Kind ist einzigartig und hat unterschiedliche Bedürfnisse.

So sehr wir es uns wünschen, aber ein perfektes Erziehungs-Rezept gibt es leider nicht. Was es aber schon gibt, sind verschiedenste Orientierungshilfen, die uns dabei unterstützen können, mehr Bindung, Achtsamkeit und Wertschätzung für ein gutes Miteinander zwischen Eltern und Kindern zu schaffen.

 

Eine der schönsten Erfahrungen für mich als Mutter ist,

dass ich mit meinen Kindern mitwachsen und Fehler machen darf. Oft musste ich mitten in einem Veränderungsprozess einen Kurswechsel starten, weil ich bemerkte: So wird das nichts! Daraus lernte ich, dass ich auch trotz Fehler von meinem Kind bedingungslos geliebt werde. Deshalb ist es mir eine Herzensangelegenheit, meine Erlebnisse und Erfahrungen mit euch zu teilen. Denn es ist nicht wichtig, immer die perfekte Lösung für alle Probleme zu haben, sondern wie ich mit meinen Mitmenschen umgehe.

Warum interessieren wir uns heutzutage so sehr für die optimale Erziehung und Entwicklung unserer Kinder, holen uns Ratschläge und besorgen uns einen Erziehungsratgeber nach dem anderen?

Diese Frage finde ich wirklich spannend und die Antwort darauf ist ziemlich einfach. Früher waren Mütter überwiegend zu Hause, heute sind sie größtenteils berufstätig. Das Rollenbild einer Mutter hat sich in den letzten Jahren vollkommen verändert. In der Generation unserer Großeltern sah das Familienbild noch so aus: Vater, Mutter, Kind. Heute ist man nicht zwingend verheiratet, lebt allein mit einem Kind, in Patchwork-Familien oder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Die Anzahl der Scheidungen und der Single-Haushalte steigt von Jahr zu Jahr. Die früher geltenden Werte lassen sich nicht mehr auf die heutige Zeit übertragen.

Ich empfinde das so: Früher hatten alle einen Fahrplan. Man heiratete jung, bekam Kinder, die Frau kümmerte sich um Haushalt und Kinder und der Mann brachte das Geld nachhause. Jedem war seine Rolle klar. Erzogen wurde, wie man es bei den Eltern gesehen und gelernt hatte. Da wir uns aber in den letzten Jahren weiterentwickelt haben und neue Beziehungsformen entstanden sind, passt dieses Rezept nicht mehr und wir sind auf der Suche nach einem neuen.  Doch gibt es überhaupt ein allgemeingültiges Rezept mit einem vorgegebenen Fahrplan? Jemanden, der uns sagt: So musst du dein Kind erziehen, dann ist alles gut.“

Nein, das gibt es leider nicht. Wir stecken mitten im Bewusstseins-Wandel von der Erziehung zur Beziehung. Denn das ist es, was wir uns eigentlich wünschen: eine intakte und herzliche Beziehung und Verbindung mit unserem Kind.

Eine kleine Anekdote aus meinem Leben: Mit 25 Jahren wurde ich plötzlich zur Alleinerzieherin eines 2,5-Jährigen und fragte mich: Was bedeutet überhaupt „alleinerziehend“? Was muss ich da machen, worauf muss ich achten? Was ist meine Aufgabe? Niemand hatte mir beigebracht, was man als zu tun hat, wenn man seinen Alltag alleine mit einem Kind bewältigt. Ich hatte zuerst große Angst. Angst, etwas falsch zu machen. Angst, nicht zu genügen – ein Kind braucht doch zwei Elternteile, um ein ausgeglichener Erwachsener zu werden. Angst vor dieser großen Verantwortung. Ich suchte Hilfe in einer sozialen Einrichtung, stellte meine Fragen und bekam nur fragende Blicke. Als Antwort bekam ich zu hören: „Schauen sie, dass es ihrem Kind so gut geht wie bisher und dass die Bindung zum Vater so weit wie möglich aufrecht bleibt.“ Dann ging ich hinaus. Genauso weise wie zuvor und nach wie vor mit all meinen Ängsten im Gepäck.

Ich musste eine Trennung seelisch verarbeiten, mein Kind in der Krippe einschulen, in eine kleinere Wohnung umziehen und mir einen Job suchen, wo ich genug verdiente, um über die Runden zu kommen – und das alles mit 25. Manche würden sagen, alt genug, aber ich fühlte mich damals für diese große Verantwortung einfach noch zu jung. Zur gleichen Zeit erhielt mein Vater auch noch eine Krebsdiagnose und an manchen Tagen wusste ich gar nicht, wie ich das alles bewältigen sollte.

 

Es gibt Zeiten im Leben, wo man nur funktioniert und alles am Laufen hält.

So fühlte ich mich die meiste Zeit. Aber es war nicht immer so. Wenn es mir möglich war, las ich sehr viel und versuchte mich in mein Kind hineinzuversetzen: „Wie hätte ich gerne, dass man mit mir spricht? Wie würde ich gerne behandelt werden?“ Besonders wichtig war es mir auch, unseren Tagesablauf strukturiert zu gestalten. Das gab mir und meinem Sohn Sicherheit.

Ich begann neue Rituale und Werte mit meinem Kind zu schaffen. Wir zwei waren eine Familie und nicht nur „Vater, Mutter, Kind“. Dieses Familiengefühl gab mir zusätzlich Sicherheit und Vertrauen. Es war mein Fundament für die weitere Entwicklung.

 

Einige meiner Werte sind heute wie damals gleichgeblieben und dazu zählen Folgende:

  • Versuche immer dein Bestmöglichstes in der Beziehung zu geben.
  • Gib nicht gleich auf oder trenne dich.
  • Bleibe nur mit jemanden zusammen, der dich liebt und den du liebst.
  • Sei kein Opfer, sondern achte auf ein wertschätzendes Miteinander.
  • Jeder, absolut jeder, hat die Macht, sein Leben selbst zu steuern und nicht gesteuert zu werden.
  • Und wenn du das Gefühl hast, du hast alles getan, was du tun kannst und du dennoch kein Licht am Ende des Tunnels siehst, dann ist es vielleicht Zeit einen anderen Weg einzuschlagen.

 

Ich habe sehr viele innere Dialoge mit mir geführt und eine Frage habe ich mir sehr oft gestellt: Was will ich meinem Kind mitgeben? Welche Art von Beziehung wünsche ich meinem Kind? Und das war nicht die Art Leben, die ich zu dem Zeitpunkt lebte. 

Und da hatte ich schon die Antwort auf meine Frage! ????

Wenn ich möchte, dass mein Kind schöne, liebevolle, wertschätzende und glückliche Beziehungen führt, dann muss ich mit gutem Beispiel vorangehen. Auch wenn es bedeutet, dass ich zunächst einmal alleinerziehend bin.

Wir alle wollen liebevolle und einfühlsame Eltern sein. Dabei entwickelt jede Familie ihren individuellen Fahrplan und ihre eigenen Rituale und Werte. Was für mich und meine Familie passt, muss noch lange nicht für dich und deine Familie gut sein. Und doch sind wir auf der Suche nach Unterstützung. Wir dürfen neue Werte vertreten, neue Wege beschreiten, sie wieder verändern, und mehr auf die Bedürfnisse unserer Kinder eingehen, um BINDUNG herzustellen.

Wenn Du also auf der Suche nach dem perfekten Erziehungs-Rezept bist, dann beantworte dir einfach selbst folgende Fragen:

  • Welche Werte möchte ich meinem Kind mitgeben?
  • Was für ein Erwachsener soll mein Kind werden?
  • Was kann ich tun, um meinem Kind einen stimmigen Weg zum Erwachsenwerden zu bereiten?

Für euren gemeinsamen Weg als Familie wünsche ich euch von Herzen alles Gute!

P.S.:

In meinem nächsten Blog werde ich ganz konkret auf Kinder„be“ziehungstipps und alltagstaugliche Tools eingehen: „Was kann ich tun, wenn mein Kind schreit, sich auf den Boden schmeißt, freche Antworten gibt, sich zurückzieht und wenig von sich erzählt.“ Es ist garantiert für jeden etwas dabei. ????