Bye Bye Social Media

Dieser Blogbeitrag lädt zum Reflektieren ein und trägt zu einem besseren Verständnis zwischen Eltern und Kindern bei.

„Wie lange darf mein Kind am Handy sein?“

Diese Frage wird mir in meiner Praxis ziemlich oft gestellt. Wäre es nicht schön, wenn es darauf eine allgemeingültige Antwort gäbe? Nicht nur meine Klient:innen beschäftigt dieses Thema. Auch ich frage mich regelmäßig wieviel Medienkonsum meinen Kindern gut tut. Aber wie in allen Bereichen des Lebens, sollte man auch hier zuerst vor der eigenen Türe kehren. Oder, wie ein indianisches Sprichwort sagt: „Gehe hundert Schritte in den Schuhen eines anderen, wenn du ihn verstehen willst.“.

Um besser zu verstehen, warum Social Media für unsere Kinder so wichtig ist, habe ich deshalb einen kleinen Selbstversuch gewagt. Du wirst erstaunt sein, wie viele Gemeinsamkeiten zwischen Kindern und Erwachsenen zu finden sind.

Als Selbständige gehört es für mich dazu, auch online präsent zu sein. Beiträge posten, über Aktuelles informieren, Persönliches von mir zeigen und mit meiner Community in Kontakt bleiben sind Teil meines Arbeitsalltags. Im Laufe des letzten Jahres hatte sich aber ein innerlicher Druck in mir aufgebaut und ich musste mir selbst die Frage stellen: „Wie oft soll ich aktiv einen Beitrag schreiben oder ein Video posten, um nicht komplett von der Bildfläche zu verschwinden? Wieviel wird von mir erwartet? Andere User sind im Netz viel aktiver und haben zahlreiche Follower – ist das auch mein Weg?“

Ein Handy- oder Social Media Verbot ist Kindern gegenüber schnell ausgesprochen, aber können wir selbst eigentlich darauf verzichten? Und für wie lange? 

Und so startete ich mein „Social Media Auszeit“-Experiment im Dezember 2022.

Ich begann damit, nur einmal am Tag in Facebook hineinzuschauen und Beiträge zu liken. Das war gar nicht so einfach. Seien wir uns doch einmal ehrlich: in vielen Momenten scrollen wir nur, um uns die Zeit zu vertreiben:

  • beim Kaffeetrinken am Morgen
  • im Gasthaus, während man auf sein Essen wartet
  • beim Arzt zur Überbrückung der Wartezeit

oder (ganz banal), wenn man im Lokal auf die Freundin wartet, die gerade auf der Toilette ist.

Doch ich hielt mich an meinen gefassten Vorsatz und bereits eine Woche später schaute ich nur mehr 10 Minuten ins Netz. Ganz bewusst und ohne etwas zu liken. Eine besondere Challenge: Liebe Freundinnen hatten tolle Beiträge gepostet und mein Drang, sie mit anderen zu teilen, war sehr groß! Trotzdem blieb ich standhaft und entschuldigte mich kleinlaut bei einigen, die bisher ein anderes Social Media-Verhalten von mir gewohnt gewesen waren.

 

Welche Gefühle hatte ich?

  • Jetzt bekomme ich ja gar nichts mehr mit, was in meinem Umfeld passiert.
  • Welche Neuigkeiten gibt es auf der Welt?
  • Wenn ich Bilder oder Beiträge von Freunden nicht mehr like oder teile, was werden sie über mich denken? Erwartet man das von mir?
  • Werde ich vergessen, wenn ich zwei Monate nichts poste?

Nach einiger Zeit begann ich nur mehr jeden zweiten Tag Facebook zu öffnen. Danach unter der Woche gar nicht mehr und nur mehr am Wochenende als ganz bewusstes Berieseln. Nach tagelanger Abstinenz war es mir schließlich irgendwann gar nicht mehr aufgefallen, dass ich nicht mehr online gewesen war. Ich wusste zwar nichts mehr von meinem Umfeld, konnte aber die freigewordene Zeit nutzen, um Zeit mit mir selbst zu verbringen. Auch der innerliche Druck, ständig online aktiv sein zu müssen, war durch meine Social Media Abstinenz abgefallen.

Mein Fazit: Die Dosis macht das Gift!

Mein Vorsatz für die Zukunft:  Wenn ich poste, möchte ich mit meiner Botschaft einen Mehrwert hinaussenden: Gedanken und Tipps, die anregen. Ich möchte im Netz meine ganz persönliche und wertschätzende Spur hinterlassen.

Vielleicht denkst du jetzt „das würde mich auch nicht stören, was ist denn so schwer daran, auf Facebook und Co zu verzichten?“ Oder Du hast das Gefühl „Puh, das geht gar nicht. Ohne Insta, Tik Tok oder Facebook würde ich es nicht aushalten.“

Nun, ich bin in einer Generation groß geworden, in der es noch keine sozialen Medien gab. Die Jugend von heute würde es als „Steinzeit“ bezeichnen. Kein Kabelfernsehen, kein Handy, kein mobiles Internet, …

Aber der Teenager von heute kennt unsere Zeit von damals nicht. Sie ist für ihn unvorstellbar – vergleichbar mit einem vergangenen Kapitel aus dem Geschichtsunterricht.

Teenager von heute haben die Qual der Wahl. Die Auswahl an Plattformen ist groß. Und es sind nicht einfach nur Plattformen. Für Jugendliche sind es Communities und sie selbst sehen sich als Teil davon.

Im Netz finden sie schnell und einfach Gleichgesinnte, die sie im „echten Leben“ (zum Beispiel in der Nachbarschaft) wahrscheinlich nie finden würden. Aber natürlich bergen die unendlichen Weiten des World Wide Webs auch enorme Gefahren.

Youtuber legen Werte und Moral fest. In frei zugänglichen Filmen, Songs und Medien wird Sex mit Liebe gleichgestellt. Beauty-Filter erschweren es vor allem jungen Mädchen ein gesundes Selbstbild zu entwickeln. Und neben Mobbing nimmt auch sexueller Missbrauch immer mehr zu.

Was sollte man also tun? Das Handy beschlagnahmen und den Internetzugang sperren? Wie würde dein Kind reagieren, wenn es keinen Zugang zu den sozialen Medien mehr hätte? Würde Panik ausbrechen?

Ich bin davon überzeugt und antworte mit „JA“. Dein Kind hätte das Gefühl, nicht mehr Teil der Community zu sein. Freunde zu verlieren. Etwas zu verpassen. Nicht mehr mitreden zu können. Vielleicht auch sich allein zu fühlen. Auch deinem Kind würde dann mehr Zeit zur Verfügung stehen. Wie würde es diese Zeit füllen?

Die Dosis macht das Gift. Aber was ist die richtige „Dosis“?

Der Grundstein wird in der Volksschule bzw. bereits im Kindergarten gelegt.

Falls du ein Kind im Kindergarten- oder Volksschulalter hast, dann habe ich diese Tipps für dich:

  • Es ist zwar eine alte Leier und du hast es bestimmt schon sehr oft gehört, aber: Das Handy sollte am Abend in keinem Kinderzimmer mehr sein.
  • Vor der Schule oder dem Kindergarten sollte weder der Fernseher laufen noch am Handy gespielt werden.
  • Ein elektronisches Gerät hat am Esstisch nichts verloren.
  • Du als Elternteil bestimmst, welche Spiele für dein Kind gut sind und nicht das Kind.
  • Lege eine Handyzeit fest und ganz wichtig: Halte dich konsequent daran, dass gibt deinem Kind Sicherheit.

Vielleicht denkst du jetzt „aber mein Kind ist doch schon im Teenageralter, was soll ich jetzt noch tun?“

Es ist nie zu spät, auch bei Teenagern das Medienkonsumverhalten zu verändern. Der Widerstand der Jugendlichen ist zwar um einiges höher, aber einen gemeinsamen Weg zu finden, kann und wird für euch als Familie eine enorme Bereicherung sein.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwierig es ist, das Raunzen und Gejammere auszuhalten. Aber denke daran, weniger Zeit im Netz bringt euch mehr Quality-Time als Familie. Zeit zum Fußball spielen, Darts werfen, Puzzlen, Uno-Karten spielen…  

In dieser gewonnen Zeit könnt ihr eure Bindung stärken und Vertrauen aufbauen. Und diese beiden Eigenschaften „Bindung und Vertrauen“ sind die beste Basis, um gut und wohlbehalten durch die Pubertät zu kommen.

P.S.: Bestimmt werden sich jetzt einige von euch fragen, wie lange meine Social Media Auszeit gedauert hat… bis Ende Jänner 2023. Und ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung. Probiere es doch selbst aus und nutze die Fastenzeit für eine digitale Entschlackungskur. Ich wünsche Dir gutes Gelingen!