Sprichst du die gleiche Sprache wie dein Kind?

In meinem letzten Blogartikel ging es um das perfekte Erziehungs-Rezept und gleich zu Beginn möchte ich nochmals festhalten: „Nein, das gibt es nicht!“
Es gibt Orientierungshilfen, die uns im Alltag unterstützen und wir haben die freie Wahl, aus dieser Vielfalt zu schöpfen.

Doch was tue ich, wenn mein Kind schreit, sich auf den Boden schmeißt, freche Antworten gibt oder bei den Hausübungen bockt?

Schauen wir uns diese Situationen einmal genauer an. Auch wenn sich das Verhalten auf unterschiedliche Weise zeigt (auf den Boden schmeißen, schreien, mit den Türen knallen), hat es oft ein und dieselbe Botschaft. Das Verhalten spricht eine Sprache, es möchte uns etwas mitteilen. Für uns ist es jetzt wichtig, es zu verstehen. Eine gemeinsame Sprache zu sprechen, ist eine der Grundvoraussetzungen, um Auseinandersetzungen und Konflikte dauerhaft zu lösen.

 

Verstehst du dein Kind? Ich manchmal nicht.

Wenn ich müde und hungrig vom Tag nachhause komme und mein Kind mich schon zum zehnten Mal fragt, ob es sich morgen doch noch mit einer Freundin treffen könne, obwohl ich ihr schon am Nachmittag erklärt hatte, dass es morgen zeitlich einfach nicht machbar sei, weil ein Arztbesuch und später die Hausübung auf dem Plan stünden und sie am Abend ja auch noch ihre Freizeit brauche. An solchen Tagen bin ich grantig und habe wenig Verständnis. Ich habe nämlich Hunger und bin müde.

Was ist hier geschehen? Erinnerst du dich an die Bedürfnispyramide aus meinem ersten Blog

Unsere Grundbedürfnisse wurden angegriffen.

 

  • Ihres nach Autonomie: „Ich weiß, was gut für mich ist und treffe meine eigenen Entscheidungen!“
  • Und meines nach Nahrungsaufnahme und Schlaf, denn ich war müde und hatte Hunger.

In diesem Moment war ich laut, genervt und zornig. Ich dachte mir, das kann jetzt nicht wahr sein, keine 5 Minuten im Haus und ich werde mit Fragen gelöchert, die ich ohnehin schon beantwortet hatte. Nämlich mit der klaren Antwort „Nein“!

Vielleicht kennst du das oder hast selbst schon die eine oder andere ähnliche Situation erlebt.

Oft hilft hier schon die „Teleskop-Perspektive“. Man zoomt sich einfach aus der Situation heraus. Mit ein wenig Abstand betrachtet, lassen sich die Dinge ganz anders sehen und einschätzen. Aber – und das ist jetzt wichtig – bitte die Übung erst anwenden, wenn die Emotionen schon wieder abgekühlt sind.

Was wünscht man sich, wenn man wütend, ängstlich, in der eigenen Entscheidungsfreiheit eingeschränkt, hungrig oder müde ist? Man wünscht sich VERSTÄNDNIS. Und das wünscht sich auch dein Kind!

Das Bedürfnis nach Verständnis ist eure gemeinsame Sprache. Dein Kind möchte gehört, gesehen und verstanden werden.

Vielleicht ist dein Kind noch klein oder noch nicht in der Lage, seine Gefühle und Emotionen zu verbalisieren bzw. zu kommunizieren. Es kann dir noch nicht sagen: „Ich finde das sehr gemein, dass du mir jetzt nicht diesen Schlecker kaufst“, und schmeißt sich stattdessen auf den Boden.

Vielleicht hatte dein Kind heute einen schweren Tag in der Schule, wurde geärgert oder hat den Tag in lauter Umgebung verbracht oder zu wenig gegessen. Dann ist es nicht in der Lage sofort seine Hausübungen zu machen, sondern es braucht zuerst eine Pause oder einfach ein offenes Ohr.

ALLES und JEDES Verhalten ist Kommunikation.

Oder, wie Paul Watzlawick es formulierte: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“

Du möchtest wissen, wie die Geschichte bei uns weitergangen ist?

Meine Tochter war wütend, dass sie am nächsten Tag nicht zu ihrer Freundin gehen durfte und ich war wütend, dass ich nicht einmal in Ruhe essen konnte. Nachdem ich meine Grundbedürfnisse – kurze Pause und ein kleiner Snack – gestillt hatte, versuchte ich die Situation noch einmal aus der Teleskop-Perspektive zu betrachten. Die Grundbedürfnisse waren nicht befriedigt, das war ein Fakt.

Ich ging also in das Zimmer meiner Tochter und erklärte ihr, dass ich Hunger gehabt hatte, genervt und müde war und zuerst einmal runterkommen musste, und deshalb so laut geworden war. Ich entschuldigte mich bei ihr und versprach: „Das nächste Mal werde ich dir sagen, dass ich zuerst eine Kleinigkeit essen muss, und dann reden wir.“ Und dann zeigte ich noch einmal Verständnis für ihr Bedürfnis: „Ich verstehe, dass du deine Freundin schon länger nicht gesehen hast und das ist wirklich doof. Morgen geht es sich leider wirklich nicht aus, weil es bei uns beiden sonst viel zu stressig wird, aber übermorgen kannst du dafür eine Stunde länger spielen. Was hältst du von diesem Vorschlag?“ Sie antwortete: „eine Stunde und 15 Minuten?“ und ich sagte zwinkernd „Ja!“. Dann lächelte sie und wir umarmten uns.

Auf diese Weise kannst du gemeinsam mit deinem Kind Gefühle kommunizieren, Verständnis aufbauen, nach stimmigen Lösungen suchen bzw. anbieten und in der Verbindung bleiben.

Mittlerweile weiß meine Familie, wenn Mama Hunger hat => warten und nichts fragen! 😉

Unsere Einstellung zu unseren Gefühlen hat eben auch Einfluss auf unsere Kinder. Vorleben ist deshalb ein besonders wichtiges Ziel.

Als kleine Unterstützung möchte ich dir 4 Verständnisregeln für Eltern anbieten, die die dabei helfen werden, mehr in Verbindung zu kommen:

 

  • Fang zuerst bei dir an. Beobachte dich und spüre hin. In meinem Fall bedeutete das: Ich war müde und hungrig.
  • Schlüpfe in die Schuhe deines Kindes und versuche Verständnis für sein Bedürfnis zu zeigen.
  • Eine Out-of-the Box Regel lautet:
    Mache dir bewusst: Dein Kind macht dir keine schwere Zeit, es hat gerade selbst eine schwere Zeit.
  • Deine Aufgabe als Mama oder Papa ist es manchmal nur auszuhalten.

Versuche immer dein Kind mit an Bord zu holen. Die Voraussetzung dafür ist eine gemeinsame Sprache zu sprechen, um miteinander Lösungen zu finden. Denn das Leben besteht aus einem Miteinander und vielen Kompromissen. 😊